Durch die Adria

Über die Einklarierungskosten, die uns in Kroatien erwarten, sind wir aus Brindisi bestens vorinformiert, und so hält sich der damit verbundene, unvermeidliche Schock in Grenzen. Die Beamten, die jene – jeder Verhältnismäßigkeit entbehrenden – Gebühren einfordern müssen, sind äußerst höflich und korrekt. Sie scheinen häufiger mit fassungslosen Wutausbrüchen Einreisewilliger konfrontiert zu sein, aber wir verlieren erst unsere stoische Ruhe, als man am ersten Liegeplatz in Lastovo Nationalparktaxen einhebt. Auch diese Parkwächter sind offenbar auf unbeherrschte Reaktionen gefasst, und diesmal wollen auch wir die Halsabschneider „nicht enttäuschen“ und haben nur mehr Mitleid mit uns selbst…
Kroatien rangiert jedenfalls als teuerstes Segelrevier knapp vor Australien an erster Stelle.

Dafür ist der freie Platz an einer alten Steinmole in der rundum geschützten Bucht Jurjeva Luka ideal, um ein wenig zu verschnaufen und den „Abschied“ von Brindisi zu feiern. Am folgenden Morgen legt die österreichische Yacht „Geronimo“ neben uns an, und zu unserer Überraschung sind wir für die Crew keine Unbekannten. Auch Didi und Susi haben schon für „Ocean7“ Artikel verfasst, sind offensichtlich „richtige“ Segler und verbringen jede verfügbare Minute auf ihrem Schiff. Am Nachmittag erfolgt eine Einladung ihrer Freunde und Begleiter Martina und Theo auf die Motoryacht „Cara Mia“ zu Kremser Veltliner aus dem eigenen Weinkeller, abends werden wir sogar anlässlich des dritten Jahrestages unserer Reise zum Essen ausgeführt.
Wir gönnen uns noch einen weiteren Tag Pause, dann ziehen auch wir weiter. Die Gradina-Bucht im Westen von Korcula ist wohl eine der empfehlenswertesten Liegeplätze in der Adria, wir ankern allerdings nur für eine Nacht – ein Fehler, für den wir promt die Rechnung präsentiert bekommen.

Um ruhig und sorglos kleinere weiterführende Arbeiten am Schiff erledigen zu können, verlegen wir uns in eine tiefeingeschnittene Bucht bei Hvar. Der Liegeplatz füllt sich leider in kürzester Zeit, ist am frühen Nachmittag zum Bersten voll, und bald quert eine Yacht mit junger Crew im Zuge ihres völlig rätselhaften Ankermanövers unmittelbar vor unseren Rümpfen. Die Reaktion auf Wolfgangs spontane und – zugegebenermaßen – etwas undiplomatische Aufforderung, das Manöver sofort abzubrechen, ist ein ausdrucksloser Blick, sowie ein langgezogenes „Hähh?“ des Rudergängers…
Am nächsten Tag ergreifen wir um 05.00 morgens mit dem ersten Sonnenlicht die Flucht und zählen auf Höhe Rogoznica 60 Segel- bzw. Motoryachten im Blickfeld (!) – die Rezession scheint weitgehend überstanden zu sein. Wir ziehen uns in eine tatsächlich entlegene Bucht zurück, ohne jegliche Möglichkeit, das Fußballweltmeisterschaftsfinale zu verfolgen – für Evi eine zusätzliche Erlösung…
Ein Dinghy fährt knapp an uns vorbei, und wir schnappen ein paar Sätze auf: „Sleipnir2, des is der Katamaran, der um die Wölt gfohrn is…“ Ab und dann werden wir erkannt und wir müssen wohl zugeben, ein bisschen stolz zu sein.

Auf dem kurzen Weg nach Primosten werden wir abermals von zahllosen Wassersportlern „begleitet“. Wolfgang setzt sich über jeglichen guten Ton disziplinierten Funkverkehrs hinweg und setzt einen „All Stations Call“ auf Kanal 16 ab, um das Ergebnis des Fußballendspiels zu erfragen, bekommt aber keine Antwort – nicht einmal eine Rüge… Selten konnten wir Ignoranz mit so viel Amüsement aufnehmen.

In der ausgezeichnet geschützten Bucht vor der Hramina Marina bei Murter-Stadt verbringen wir drei Tage mit Servicearbeiten am Schiff.
Die Okkasion der hochwertigen Musto-Hosen im Abverkauf strapaziert Wolfgangs Budget auf das Äußerste – in diesem speziellen Fall hält Evi ihren Skipper ausnahmsweise nicht zur Sparsamkeit an und unterstützt sogar den Kaufrausch…

Über Molat ziehen wir weiter nach Norden an einen unserer erklärten Lieblingsplätze: die Artaturi Bucht auf Losinj. Warum es uns gerade dieser Ort so angetan hat, lässt sich schwer erklären – sicher ist jedenfalls, dass hier die Konsistenz des Sandes einen hervorragende Ankergrund abgibt.
Weit verbreitet ist neuerdings unter den Ankerliegern leider die Unsitte, Seevögel zu füttern, die schlüssigerweise zu einem „distanzlosen“ und unerschrockenen Verhalten der Tiere führt und in weiterer Folge zur Belagerung von Schiff und Dinghy. Problem sind natürlich nicht die Vögel selbst, sondern ihr allgegenwärtiges Stoffwechselendprodukt.
Zwei Nächte später segeln wir auf Halbwindkurs unter besten Bedingungen (auch das gibt es in der Adria) über den Kvarner nach Istrien und genießen ein paar Tage eine der wahrscheinlich schönsten Städte des Mittelmeers: Rovinj.

Das GPS weist noch knapp 50 nm in die Heimatmarina Stella auf, und der Krantermin ist bereits fixiert – die Reise geht zweifelsohne in ihre Schlussphase…
Der stabilen Schönwetterlage der letzten Tage folgt eine Störung mit ausgeprägten Gewittern, die unseren Aufenthalt in Rovinj im wahrsten Sinn des Wortes trüben. Während wir uns nach Novigrad verlegen, „folgt“ uns jenes Gewitter, dem wir eigentlich durch das Auslaufen nach Norden entkommen wollten, auf Parallelkurs entlang der Küste. Bei der Einfahrt nach Novigrad kommt es dann zum längst befürchteten „Überschneiden der beiden Kurse“, und so machen wir gründlich gereinigt unter „Blitzlicht“ an eine der Bojen fest.
Hier treffen wir die beiden Deutschen Angelika und Andreas, die in der Freizeit vorzugsweise auf ihrem Wharram Tiki 26 am Bodensee segeln und offensichtlich aktive Mitglieder der hiesigen Multihullgemeinschaft sind. Sie haben als erste auf unser Inserat, in dem wir „Sleipnir2“ zum Verkauf ausgeschrieben haben, reagiert und nach wenigen Tagen „imperativ“ bemerkt: „Sleipnir2 ja niemand anderem zu verkaufen…“

Jetzt verbringen sie drei Tage mit uns, um den Kat, den sie schon länger über die Homepage verfolgen, näher kennenzulernen. Wir segeln über Umag unter Spi an Lignano Sabbiadoro vorbei in die Laguna Di Marano, fahren schließlich die Stella flussaufwärts, um dann zwei Stunden später an den Dalben vor der Kranbox unserer Heimatmarina Stella festzumachen – die Reise ist tatsächlich und unwiderruflich zu Ende.
Besonders diese Flussfahrt, die den allerletzten Abschnitt dieser ereignisreichen Weltumsegelung darstellt, bringt Wolfgang ungewollt in eine sehr sentimentale Gefühlslage. Evi ist vollkommen ausgelastet, ihren lang gehegten Wunsch einer Flaggenparade umzusetzen und sorgt mit einigen Hoppalas dafür, dass keine Langeweile am Schiff aufkommt – jedenfalls muss Wolfgang öfter als einmal auf den Mast… Bereits am folgenden Tag wird „Sleipnir2“ aus dem Wasser gehoben, und es folgt ein ausführlicher Check des Kats, in dessen Rahmen die neuen Eigner auch die engsten und unzugänglichsten Winkel der Rümpfe inspizieren. Die Begutachtung leidet allerdings ein wenig unter den angekündigten sintflutartigen Wolkenbrüchen mit Gewittern. Am späten Nachmittag besuchen uns Ernst Köberl vom Österreichischen Hochsee Yacht Club, der ein großangelegtes Weltumseglertreffen Ende August am Grundlsee/Gössl organisiert, und Karl von der „Karo“ in Begleitung von drei Segelfreunden. Zu neunt feiern wir im strömenden Regen unter dem Sonnen/Regensegel im Cockpit der „Sleipnir2“ mit Prosecco unsere Rückkehr, und alle treten unter bester Laune den Beweis an, wetterfeste, naturverbundene Segler zu sein.

Letztlich verkaufen wir „Sleipnir2“ um 1 Euro plus einer vereinbarten Summe an Angelika und Andreas, die mit neuen „Sleipnir2“-Kappen zufrieden die Heimreise ihres „teuersten Kurzurlaubes“ antreten.
Wir bleiben zurück in der Marina Stella, ziehen mit gemischten Gefühlen aus dem Schiff aus und wintern den Kat ein.
„Sleipnir2“ liegt in Bestform auf dem angestammten Landliegeplatz, und der „Auszug“ ist nicht frei von Emotionen – fast zehn Jahre hat der Kat unser Leben geprägt, und der Name „Sleipnir2“ ist mittlerweile stark mit unseren eigenen Namen verknüpft. Nahezu viereinhalb Jahre haben wir auf dem Schiff gelebt, etwa 45.000 Seemeilen „gemeinsam“ zurückgelegt und wurden sicher über drei Ozeane getragen. Mit Angelika und Andreas als zukünftige Eigner sehen wir den Kat allerdings in sehr guten Händen.
Harti, wirklich einer unserer treuesten Freunde, hat sich wieder bereiterklärt, uns in Italien abzuholen – er schätzt als einziger das Gepäcksvolumen richtig ein und fährt mit geborgtem Voyager und entsprechendem Anhänger vor. Über den gewohnt herzlichen und gemütlichen Zwischenstopp bei unseren südsteirischen Freunden Sonja und Ramon kommen wir letztlich wirklich in Wien am Wolfersberg an – unser Leben als Landratten kann beginnen, die Homepage wird weiterlaufen.