Vom Golf von Korinth ins Ionische Meer

Es folgt eine Einladung auf Dimitris Boot, wo Wolfgang einem Intensivkurs im Mittelmeer-Hochseefischen inklusive Knotenkunde unterzogen wird. Nahezu „allwissend“ und mit neuen Ködern versorgt, kehrt er zum Kat zurück – Evi bleibt skeptisch: „Wir werden ja sehen…“.

Das etwas unkonventionelle Design von „Sleipnir2“ hat von jeher das Interesse und die Aufmerksamkeit von Passanten und anderen Seglern geweckt. Für den Umstand, dass wir auf diesem Boot einige Jahre gelebt und lange Reisen unternommen haben, zollt man uns im Laufe der letzten Wochen ungewohnt viel Respekt. In zunehmendem Maße bekommen wir Einladungen auf andere Schiffe, wie auf die SY „Ma Vie“ des hochsympathischen Italieners Giacomo (auf Spaghetti – What else?), oder auf die SY „Retreat“ der erfahrenen Engländer Monica und Mike auf Gin Tonic, sehr viel Gin Tonic…
Zwei Abende auf der „Snowgoose“ von Sue und Mike gestalten sich besonders herzlich – Mike und Wolfgang liegen offensichtlich auf derselben Wellenlänge, wodurch sich britischer und österreichischer Humor sehr unterhaltsam ergänzen – gelinde ausgedrückt, für die Frauen streckenweise ein bisschen zu viel an Entertainment…

Unseren ersten Hochzeitstag (und gleichzeitig 18.Jahrestag) feiern wir in einer Taverne am Hafen vor der passenden Kulisse eines traumhaft schönen Sonnenuntergangs. Evi schenkt Wolfgang eine neue Geldbörse, nachdem die alte bereits sehr „durchlässig“ war – solange noch etwas rausfallen konnte, war Wolfgang so weit noch recht zufrieden…

Es wird Zeit weiterzuziehen. Über den etwas zu einsamen Ankerplatz in der Veresses Bay, südlich von Andikiron, erreichen wir die rundum geschützte Bucht der kleinen Insel Trizonia. „Work in progress“ lautet die Beschreibung für eine Marina, die wohl nie fertiggestellt werden wird, aber die Betonpiere, die bereits erste Verfallserscheinungen aufweisen, sind zumindest mit soliden Klampen ausgestattet, und so liegen wir hier gratis und sicher. Ein Geheimtipp – entsprechend sind die Stege belegt, und auch der Meister persönlich scheint die Vorteile von Trizonia zu schätzen: in einem abgelegenen Teil der „Marina“ orten wir tatsächlich James Wharrams „Spirit of Gaia“, mit ihrer 63 Fuß Länge quasi das Flagschiff aller Wharram Katamarane. Das berühmt Boot ist klariert und niemand an Bord, für uns eine Gelegenheit verschiedene Detaillösung hinsichtlich Rigg, Steuerung oder Aufhängung der Motoren in Augenschein zu nehmen.

Trotz dieser „spirituellen Entdeckung“ gehen wir am folgenden Morgen weiter auf Westkurs und nähern uns am Vormittag der neuen Brücke, die an der schmalsten Stelle den Peloponnes mit dem Festland verbindet. Man scheint auf das Bauwerk sehr stolz zu sein, jedenfalls muss man sich 5 nm und 1 nm vor, bzw. 5 nm nach der Durchfahrt auf Kanal 14 bei Rion Traffic melden – ein wenig überzogener Funkverkehr, aber wir sind somit im Golf von Patras.
Einige Stunden später motoren wir durch einen 3 nm ausgebaggerten Kanal in den Hafen der Studentenstadt Mesolongion und ankern in dem weitläufigen Becken, das wohl leicht 100 Yachten Platz bieten würde, allerdings…. Nach nicht nachvollziehbarem Ärger mit der Coast Guard liegen wir wenig später am kaum einladenden Stadtkai, wo Wolfgangs wachsender Unmut über die eigenwilligen Hafenbestimmungen das Verhältnis zu den „Locals“ etwas trübt… Evi ist – wie immer – um Schadensbegrenzung bemüht.

Sue und Mike führen uns in das Sugar Café, wo man zu jedem bestellten Bier kleine Häppchen, ähnlich der spanischen Tapas, serviert bekommt. Nach drei Bieren hat man quasi zu Abend gegessen, und die Stimmung leidet bei dieser Form der Konsumation auch nicht gerade.

Die konstante Nordwestwindlage lässt uns wieder einmal das Heil in einer Nachtfahrt suchen. Diesmal gelingt die Übung, und wir erreichen nach einer sternenklaren Nacht die Insel Levkas. Erstmals seit wir Tobago im Dezember 2007 verlassen haben, befinden wir uns nach 2 ½ Jahren wieder in einem Gebiet, das wir bereits als Segelrevier kennen.
Die Tranquil Bay ist wie im Pilotbook beschrieben eine einladende, attraktive und sichere Bucht. So bleiben wir eine weitere Nacht, bevor wir durch den Levkas Kanal nach Preveza weiterziehen – dieser Kanal ist unsere dritte, aber auch bequemste und billigste Passage innerhalb von nur zwei Monaten.

Obwohl wir viel Engagement daransetzen, auch im Mittelmeer Fische zu fangen, bleiben wir selbst mit neuer Ausrüstung und Tipps von Dimitri aus Korinth erfolglos. Immerhin wird einer seiner Köder abgebissen, wodurch wir doch auf Leben unter Wasser schließen können…

In Preveza liegen wir asozial raumfüllend längs am Stadtkai, der abends offensichtlich zum gesellschaftlichen Zentrum und Treffpunkt der Griechen wird. Wir sitzen in der Auslage, beobachten und genießen aber auch unsererseits aus der ersten Reihe fußfrei das bunte Treiben. Zwei Österreicher begrüßen uns mit breitem Grinsen: „Wir kennen euch, ihr seid Freunde der Seenomaden“. Hans und Franz liegen mit ihrem Schiff „Dona Blanca“ in einer der örtlichen Marinas und bleiben auf ein Glas Wein zum allgemeinen Erfahrungsaustausch. Kaum haben die beiden „Sleipnir2“ verlassen, vernehmen wir ein unüberhörbares „Hallo, Wien“. Ottmar weckt mit seinem Wiener Dialekt heimatliche Gefühle, und der Abend wird sehr lang – viel zu lange für uns, nachdem wir uns auf Grund der plötzlich günstigen Wettersituation für den nächsten Morgen zu einem direkten Schlag nach Otranto entschlossen haben.

Die Pharmazie macht es vor allem Wolfgang möglich, tags darauf wider Erwarten tatsächlich die Leinen loszumachen und Kurs auf die Straße von Otranto zu nehmen. Abgesehen davon, dass wir früher als angenommen die Ionischen Inseln und somit Griechenland verlassen, kein sonderlich erwähnenswertes Ziel – für uns aber doch eine ganz besondere Destination… Am 14. Juni kreuzen wir um 11.45 UTC kurz vor dem Hafen von Otranto unsere alte Kurslinie und haben somit die Welt umsegelt!!! Am 26. Juli 2007 sind wir bei 30 Knoten Wind nur unter Arbeitsfock mit sieben bis acht Knoten Fahrt über Grund an Otranto vorbeigesegelt. 2 Jahre, 10 Monate und 19 Tage später schließen wir nach 28.283 Seemeilen den Kreis auf N 40° 08,17’ und E 018° 31,76’.
488 Jahre nach Magellan (eigentlich Elcano auf der verbliebenen „Victoria“) und 112 Jahre nach dem unvergessenen Joshua Slocum haben auch wir auf der „Sleipnir2“ bewiesen, dass die Erde rund ist (eine an den Polen abgeplattete Kugel). Es ist ein erhebendes Gefühl, den Leuchtturm von Otranto bereits vor Augen, sich dem Schnittpunkt langsam zu nähern, der selbst bei fünf Knoten Fahrt scheinbar nicht und nicht näher kommen will.Wir lassen die Reise ein wenig Revue passieren, feiern mit einer (ganzen !) Flasche Sekt und können nur schwer erfassen, dass wir vor fast drei Jahren etwas südlich von hier Kurs West genommen haben und uns nun quasi von der anderen Seite wieder nähern.
Sehr stolz, zufrieden und erleichtert, aber durch den Sekt und den Mangel an Schlaf völlig kraftlos, lassen wir eine halbe Stunde später den Anker im Hafenbecken von Otranto fallen.