Indonesien: 2. Teil

Am späten Nachmittag wandern wir gemeinsam über den Hügel zum nahe gelegenen Superhotel Oberoi, und nach der strapaziösen Segelnacht gegen Wind und Seegang ist der „Kulturschock“ in der gediegenen, fast dekadenten Atmosphäre des Luxusresorts kaum zu erfassen – selten haben wir einen stärkeren Kontrast innerhalb eines so kurzen Zeitraums erlebt.
Das Bier, das hier standesgemäß € 5 kostet, haben wir uns mehr als verdient, auch wenn man im Dorf für Riesengarnelen als Vorspeise, zwei Hauptgerichte und vier Getränke gerade einmal € 3,50 bezahlt. Dafür verständigen wir uns mit Händen und Füßen, wobei Evi mit ihrer eingebundenen Hand erstmals einen „sprachlichen Nachteil“ gegenüber Wolfgang erlebt…

Mit Uli und Marita buchen wir eine Inselfahrt, die sich allerdings schnell als Verkaufstour entpuppt, und der Fahrer, in offensichtlicher Sorge um unsere Liquidität, zuerst einen Bankomaten ansteuert. Wolfgangs Karte weist „insufficient funds“ auf, und trotz der an sich unerfreulichen Überraschung amüsiert sich Wolfgang über den Umstand, dass außer lakonischen Bemerkungen über den Ablauf der Tour wirklich nichts von ihm zu erwarten ist. Während wir die am Straßenrand allgegenwärtigen Affen mit ausreichend Erdnüssen zufrieden stellen können, enttäuschen wir die kommerziellen Erwartungen einer Weberei, Töpferei, Werkstatt für Kunsthandwerk, eines Tempelführers und letztlich unseres Fahrers, der an diesem Tag wohl auf seine Provisionen verzichten muss.

Lombok bietet auch die Möglichkeit eines Spitalsbesuches, um Evis Hand endlich röntgen zu lassen. Der Arzt spricht zwar kein Englisch, dennoch schließen wir aus „no fraktura“ auf eine völlig überraschende, aber umso erfreulichere Diagnose, der Heilungsprozess der verletzten Hand dauert leider dennoch viele Wochen.

Zwei Tage später, gerade rechtzeitig zu Evis Geburtstag, kommt es in der Medana Bay zum lange erwarteten Treffen mit Kirsten und Joachim von der „Sappho“, sowie Erich, Karl und Klaudia von der österreichischen „Tahaa“. Auf „Sleipnir2“ laden wir zum Sektumtrunk, anschließend feiern wir gebührend mit den anderen Crews im Hotel Oberoi.

Am Tag nach dem Geburtstagsfest finden wir uns in der Realität wieder – auf dem Weg nach Kumai im Südwesten Borneos.
Eine Front mit mehr als 40 Knoten Windgeschwindigkeit zwingt uns einige Stunden zum Beidrehen, und wir legen schließlich einen ungeplanten Stopp auf der kleinen Insel Bawean ein: eine unverdorbene, ursprüngliche Insel ohne Tourismus, aber mit ausgezeichnetem Internetzugang, zu dem wir uns im Pferdefuhrwerk kutschieren lassen – Indonesien ein Land der Gegensätze.
Nach zwei weiteren Nachtfahrten erreichen wir endlich die Flussmündung an der Südküste Borneos und 10 Seemeilen stromaufwärts ankern wir vor Kumai – Ausgangspunkt für Touren in den Tanjung Puting Nationalpark, dem vermutlich weltweit besten Ort um Orang Utans in freier Wildbahn zu beobachten.

Mit den Franzosen Joël und Anne Marie von der „Oukiok“ mieten wir für zwei Tage ein sogenanntes Klotok inklusive Skipper, Guide, Koch und Matrose – ein zusätzlicher Mann wird als Wachposten auf „Sleipnir2“ abgestellt. Die Klotoks erinnern stark an schmale Hausboote, die sich dank ihres geringen Tiefgangs den Weg durch die engsten Flussläufe des Dschungels bahnen. Das unvergleichliche Naturschauspiel macht diesen Ausflug zu einem der größten Höhepunkte unserer gesamten Reise, und wir versetzen uns ein wenig in den Entdeckergeist eines Alexander von Humboldts. Schon Stunden vor Erreichen des Nationalparks beobachten wir Orang Utans in den Baumkronen, immer wieder springen Horden von den ausschließlich auf Borneo beheimateten Nasenaffen vor unserem Boot über den Fluss. Nicht jeder Sprung gelingt, und obwohl es sich hier um die besten Schwimmer unter allen Primaten handelt, sind sie sich der Präsenz der Krokodile offensichtlich sehr bewusst – nicht nur für Menschen gilt absolutes Badeverbot…
Nashornvögel steigen vor uns auf, Leguane queren den Fluss und die, auch als kleine Menschenaffen bezeichneten, Gibbons erweisen sich mit ihrer Schwinghangeltechnik als die überragenden Akrobaten des Urwaldes.
Evi genießt die Gelegenheit, Französisch zu sprechen und zu dolmetschen, Joël und Anne Marie sind glücklich, die Unterhaltung in ihrer Landessprache führen zu können, und Wolfgang kann sich zufrieden und ohne Rechtfertigung zum Mittagsschlaf zurückziehen…

Zurück in Kumai gilt es für die nächsten – vermutlich windarmen – Etappen Benzin zu bunkern. Unser mit ausreichend Geschäftssinn ausgestatteter Agent Mr. Baen bietet seine Unterstützung an: dass er in diesem Zusammenhang zwei Mopeds zur Verfügung stellt, verwirrt Wolfgang ein wenig. Der Transport der leeren Kanister mit den Zweirädern hat für den „Sleipnir2“-Skipper noch einen gewissen Unterhaltungswert, der Rücktransport der vollen Jerry Cans strapaziert dann aber doch seine ohnehin tolerante Auffassung von Verkehrssicherheit ein wenig…

Seit Lombok sind Gewitter und Regenfronten unsere ständigen Begleiter, und wir haben es längst aufgegeben, auf trockene oder stabile Wetterverhältnisse zu warten bzw. zu hoffen. Noch im Flusslauf des Kumai Rivers müssen wir zwei Gewitter abwettern und bleiben schließlich über Nacht im Flussdelta vor Anker. Das schwerste Gewitter ereilt uns allerdings während eines Zwischenstopps auf der kleinen Inseln Serutu, wo Blitze unmittelbar neben unserem Kat einschlagen, und das ganze Schiff durch die folgenden Donner vibriert – wieder einmal fühlen wir uns klein und machtlos angesichts dieses gewaltigen Naturschauspiels. Die am nächsten Tag aufschließenden Yachten „Sappho“ und „Tahaa“ versorgen uns glücklicherweise für die restlichen 330 Seemeilen durch Indonesien mit weiteren 60 Liter Benzin.
Zwei Tage später drehen „Sleipnir2“ und „Tahaa“ in einer Regenfront bei, und so driften für einige Stunden zwei österreichische Katamarane einsam in der Wasserwüste des Südchinesischen Meeres. Auf „Sleipnir2“ quittiert schließlich der Backbordmotor den Dienst, wobei die „Tahaa“ patriotische Loyalität beweist und für die verbleibende Strecke immer in Sichtweite segelt/motort. Ein allfälliges Notmanöver wird vorbesprochen, und die Schleppleinen sind angeschlagen, aber der Steuerbordmotor erweist sich – Gott sei Dank – durch die verkehrsreiche Selat Riau als verlässlich.
Noch während der ersten Nacht meldet sich die kaum zwei Kabellängen steuerbord querab segelnde „Tahaa“ über Funk „aus der nördlichen Hemisphäre“, ein Blick auf das GPS zeigt, dass wir noch 0,7 Kabellängen unterhalb des Äquators segeln.

Am 31. Oktober erreichen beide Schiffe um 01.30 morgens die Einfahrt zur Nongsa Point Marina auf Batam, dem nördlichsten Yachthafen Indonesiens. Bei einer Reduzierung der Drehzahl würde der überhitzte Steuerbordmotor absterben, so drehen wir vor der Marinaeinfahrt einige Kreise im Cruising Speed, um unsere Situation zu überdenken – schließlich fahren wir in die Marina ein und bereiten im Falle des Absterbens unserer einzigen Maschine ein Ankermanöver im Hafenbecken vor. Zu unserer Überraschung wird uns vom diensthabenden Personal ein Liegeplatz an einem Steg zugewiesen, und während der Yamaha-Motor tatsächlich abstirbt, und Wolfgang hektisch ein paar Fender ausbringt, wächst Evi ein wenig über sich hinaus und legt ohne Motor mit dem austreibenden Schiff am Pier an – entsprechendes Leinenhandling der „Tahaa“ – Crew sorgt für einen letztlich gelungenen Ablauf des durchaus fortgeschrittenen Manövers. Zuviel Adrenalin wurde freigesetzt, und niemand denkt an Schlaf, wodurch sich die kleine bacchantische Ankunftsparty auf der „Tahaa“ bis in die Morgenstunden erstreckt.

Karl, der seit Vanuatu Skipper Erich und „Matrosin“ Klaudia auf der „Tahaa“ unterstützt, hat uns bereits über Funk Hilfe bezüglich unserer Motorprobleme zugesagt. Am folgenden Tag erweckt ein hinsichtlich seiner technischen Fertigkeiten sehr zum Understatement neigender Karl unseren Backbordmotor wieder zum Leben, und somit steht einigen unbeschwerten Tagen am Pool der Luxusmarina nichts mehr im Wege.