Kolumbien

Erstmals fangen wir mit unserer Schleppangel einen Seevogel. Ein Tölpel macht seinem Namen leider alle Ehre und verfängt sich in unserem Köder.

In der zweiten Nacht haben wir eine Beinahekollision mit einem kolumbianischen Frachter. Wir weichen buchstäblich im allerletzten Moment aus. Der Adrenalinspiegel, der sich aufbaut während sich die schwarze Bordwand tangential an „Sleipnir2“ vorbeibewegt, baut sich nur sehr langsam ab.

Am folgenden Tag kürzen wir die langgezogene Bucht zwischen dem Cabo de la Vela und den Five Bays ab und segeln offshore. Der Wind nimmt auf 20 – 25 Knoten zu und bis Abend baut sich das Karibische Meer auf beachtliche Höhe auf. Das notwendige Reff kurz vor Dämmerung verzögert sich wegen des – durch 8 Knoten Fahrt erschwerten – Einholens eines offensichtlich kräftigen Thunfisches.
Der nächste Morgen beschert uns – laut Handbuch – sehr grobe See und ca. 35 Knoten Wind. Beeindruckende Wellenberge rollen auf „Sleipnir2“ zu, brechen aber – Gott sei Dank – jedes Mal unmittelbar vor unserem Heck. Überall ist weiße Gischt und das Grollen heranrollender Wellen lässt uns immer wieder zum Himmel blicken, weil wir ein Flugzeug über uns wähnen. Zweimal wickelt sich die Fock beim Segelwechsel um beide Vorstage – einmal klinken sich zwei Stagreiter in das freie Vorstag ein. Eine interessante physikalische Demonstration an welcher Stelle der Segeldruck am größten ist…
Wolfgangs Arbeit am Vorschiff wird laut und deutlich von einer immer breiteren Palette an Kraftausdrücken begleitet, Evi bleibt der ruhende Pol am Schiff.

Mittags erreichen wir das Delta des Rio Magdalena. Der Fluss färbt das Wasser ocker und braun, durch seine Strömung gelangt gefährliches Treibgut ins Meer und die Wellen werden steiler. „Sleipnirs“ Kurslinie liegt 4 sm außerhalb der Flussmündung, die Farbe des Wassers erinnert an den Neusiedlersee – wir fühlen uns fast wie zu Hause…

Am nächsten Morgen stehen wir vor der nördlichen Einfahrt von Cartagena – der Boca Grande – und eine Stunde später ankern wir unweit von Rahula nördlich vom Club Nautico. Im Segelklub herrscht eine bemerkenswert freundliche und hilfsbereite Atmosphäre, Cartagena selbst scheint uns sicher zu sein und ist einer der schönsten Städte, die wir auf dieser Reise besucht haben. Die Altstadt mit liebevoll restaurierten kolonialen Bauten, stilvollen Bars und einer Vielzahl von Museen trieft vor südamerikanischem Flair und lädt zum längeren Verweilen ein.

Im Club Nautico ist der Schlag von Curaçao hierher das vorherrschende Thema unter den Seglern. Alle stehen noch unter dem Eindruck der rauen See und der hohen Windgeschwindigkeiten. Gerne wird von den “top five passages of the world“ gesprochen – uns scheint das ein wenig übertrieben, für die klassische Route einer Weltumsegelung mag das aber zutreffen.

Wir dürften Glück gehabt haben – kaum jemand hatte unter 45 Knoten Wind, und James spricht von den gröbsten Bedingungen, in die er je geraten ist – und er ist immerhin Offizier der Royal Navy.

Sven, ein hier ansässiger Deutscher, steht in dem Ruf bei der Instandsetzung von elektronischen Geräten kleine Wunder vollbringen zu können. Tatsächlich gelingt die Reparatur unseres alten Icom – Transceivers, und „Sleipnir2“ wird Cartagena als eines von wenigen Schiffen verlassen, das mit zwei (!) Kurzwellengeräten ausgerüstet ist.

So schön die Stadt sein mag, überzieht sie den Kat mit einer Staubschicht, sodass das neue weiße Gelcoat nur mehr zu erahnen ist. Das Hafenwasser fördert den Bewuchs am Schiff wie wir es bislang noch nie erlebt haben. Auf eine Reinigung des Unterwasserschiffs muss verzichtet werden, will man einen Hautausschlag vermeiden.

Zunächst müssen wir aber unsere – für Donnerstagabend geplante – Abfahrt verschieben. Der Wetterbericht beschert uns ein paar weitere Tage in der malerischen Stadt – es gibt schlechtere Plätze um auf besseres Wetter zu warten…
Also erkunden wir Cartagena mit öffentlichen Bussen. Der offensichtliche „Okkultismus“ mancher Fahrer gibt der Frontpartie der Busse das Aussehen einer Kapelle, und spätestens nach der ersten Fahrt wird die Notwendigkeit der Anrufung verschiedenster Heiliger klar. Fürs Ticket um 1000 Pesos bekommt man den Gegenwert von etwa einem ganzen Tag Autodromfahren im Prater.
Es gelingt uns durch jahrzehntelange Großstadterfahrung die Besichtigung des modernen Stadtteils Boca Grande unbeschadet zu überstehen. Hier finden wir eine heimische Weltmarke – auch in Kolumbien kann man österreichisches Kristall kaufen… Schließlich besichtigen wir die imposante Verteidigungsanlage Castillo San Felipe, die einen guten Überblick über die unterschiedlichen Stadtteile gibt.

Unser Aufenthalt fällt mit dem 48. Fernsehfilmfestival zusammen – unübersehbar auch für Uninteressierte. Auch ohne Besuch der in diesem Zusammenhang angebotenen Veranstaltungen ist das gesellschaftliche Leben der Seglergemeinschaft ausgesprochen kurzweilig.
Ein feuchtfröhlicher Sundowner auf „Sleipnir2“ wird von der Meldung unterbrochen, dass auf Rahula der Anker nicht gehalten hat und der Kat mehrere 100 Meter „auf Drift“ gegangen ist. Der Bedarf an Bieren nach Bereinigung der Situation fordert die Gastgeber… Jeden Sonntag findet im Club ein Barbecueabend statt – schließlich dominieren hier die Nordamerikaner die Segelszene. Ein Thema des Abends ist das für den nächsten Tag geplante Auslaufen von Rahula und „Sleipnir2“. Man warnt uns vor hohem Seegang, aber mit einer „Kaffeefahrt“ kann hier bis April nicht gerechnet werden, und wir wollen zu einem unserer Traumziele: den San Blas Inseln.