Trinidad

Am Nachmittag gehen wir in der viel gepriesenen Scotland Bay vor Anker – einer der schönsten Ankerplätze unserer bisherigen Reise. Die Hügel, die die Bucht umgeben, sind mit dichtem Regenwald bewachsen, der mit seinen Mangroven bis ins Wasser hineinreicht. Die Natur präsentiert sich hier mit erdrückender Kraft: Fregattvögel und Pelikane kreisen hoch über der Bucht, eine Wasserschildkröte beäugt unseren Kat aus nächster Nähe und klassische Langfahrtschiffe liegen mit Landfesten halb in den Mangroven vor Anker. Das Konzert der Brüllaffen, das jeweils bei Dämmerung einsetzt, ist atemberaubend und gewöhnungsbedürftig zugleich. Selbst Wolfgang findet am Ankerplatz nichts auszusetzen, und das spricht Bände…

Am nächsten Morgen fahren wir endgültig nach Chaguaramas. Evi legt ein lehrbuchmäßiges Anlegemanöver hin, wir klarieren in kürzester Zeit ein und am Nachmittag sitzen wir bereits mit Anne, Mike und Philip gemütlich beisammen.

Den Silvesterabend feiern wir durchaus international auf Mojo. Wir sind neun Segler aus sechs unterschiedlichen Nationen. Larry, Profiskipper aus Südafrika, hat offensichtlich schon ein wenig vorgefeiert. Zunächst agiert er als Alleinunterhalter, nach ein paar Gläsern Wein wird ihm seine Zunge allerdings doch zu schwer. Gegen 22.00 gibt er zu einem Zeitpunkt auf, da er in seinem Beiboot mit einigen Umwegen doch noch zu seinem Schiff zurückfindet. Von einer Rhumbline (Kursgleiche) im navigatorischen Sinn kann man kaum sprechen.

In der Marina Power Boats lösen wir für eine Woche einen drahtlosen Internetzugang. Fortan können wir an Bord unbegrenzt surfen und skypen. Evi nützt die Gelegenheit zum ausführlichen „Meinungsaustausch“ mit ihren Freundinnen und ist glücklich hinsichtlich aller aktuellen, heimischen „Stories“ up to date zu sein.

Mit dem ersten Arbeitstag im neuen Jahr wird es für uns allerdings ernst, und wir beginnen die anstehenden Arbeiten in Angriff zu nehmen. Die Bedenken hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den einzelnen Yachtausrüstern und Servicestellen erweisen sich natürlich als berechtigt. Mit Echomarine wird ein Termin für das Service des Wassermachers vereinbart. Man erwartet vom Kunden abgeholt und anschließend wieder zum Office zurückgebracht zu werden. Dies entspricht nicht gerade Wolfgangs Vorstellungen von Kundenservice, und so redet man tagelang aneinander vorbei.
Der von uns schon abgeschriebene Spinnaker wird als noch durchaus brauchbar eingestuft und repariert, dafür erweist sich das erwartete kleine Service an der Kurzwellenanlage als Großprojekt. Mit den korrodierten Koaxialkabeln hätte Evi ihre Positionsmeldungen nicht mehr lange abgeben können. Die Arbeiten ziehen sich leider in die Länge – nicht nur deshalb, weil der Elektriker zweimal (!) innerhalb eines Tages beim Übersteigen vom Beiboot ins Wasser fällt. “It is not my day“, lässt er uns in zweifelsfreier Selbsterkenntnis wissen…

Durch Steuerfreiheit und zehn Prozent Discount bei Barzahlung fällt uns die Entscheidung zum Kauf eines stärkeren Beibootmotors leicht – besonders Evi genießt das neue Fahrgefühl bei ihren zahlreichen Besorgungsfahrten. Außerdem erstehen wir bei dieser Gelegenheit ein neues GPS, nachdem das alte Gerät gerade zum richtigen Zeitpunkt den Geist aufgegeben hat.

Mit einem bisher unerreichten Maß an Unfreundlichkeit werden wir an der Tankstelle konfrontiert. Wolfgang wird bedingungslos ignoriert, kommt aber besser weg als der Skipper hinter ihm, der auf Grund seiner Provokationen vom Tankstellenwart mit einem Kübel Wasser übergossen wird. Bei 30 Cent pro Liter Super kann man allerdings über manches hinwegsehen, außerdem hat man schon schlechteres Theater mit Laienschauspielern erlebt…

Die Seglergemeinschaft von Tobago trifft auch hier wieder zusammen, und wir verbringen die „Feierabende“ meist in größerer Gesellschaft auf „Sleipnir2“ oder auf anderen Schiffen. Evi schlüpft wieder in die Lehrerrolle und brieft Wolfgang, der mit größter Konsequenz an seinen englischen „Grammatik-Hoppalas“ festhält, jetzt regelmäßig. Erstmals erleben wir mit, dass eine Seglerin das Schiff wechselt und mit neuem Skipper / Mann weiterfährt. Unser Freund Philip unterbricht sein Abenteuer Soloweltumsegelung und bereichert sein Bordleben durch Partnerschaft…
Auch unsere brasilianischen Freunde aus Tobago treffen wir wieder. Sie berichten was, wo am betreffenden Abend abläuft, obwohl ihnen am späten Vormittag die Auswirkungen der vorabendlichen Party noch deutlich ins Gesicht geschrieben sind. Einzelheiten bleiben Wolfgang Gott sein Dank erspart.

Später als erhofft laufen wir schließlich am 10. Jänner aus Chaguaramas aus. Bevor wir allerdings endgültig nach Venezuela aufbrechen, bleiben wir noch eine Nacht auf der westlichsten Insel von Trinidad, in Chacachacare – einer ehemaligen Leprakolonie. Hier treffen wir noch einmal Anne und Mike mit ihrer Mojo und feiern unseren Abschied mit einem gediegenen Strandbarbecue.